Der Versuch zur Rettung einer Schule

 

Das 1919 gegründete private Reform-Realgymnasium Jawne in Köln war das einzige jüdische Gymnasium in der Rhein-Ruhr-Region. In den ersten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft wurde die Schule an der St. Apern-Straße 29-31 zunehmend auch von Kindern und Jugendlichen aus anderen rheinischen und westfälischen Städten besucht, die von den städtischen und staatlichen Schulen verwiesen worden waren.
In den Klassen der Jawne herrschte eine hohe Fluktuation, auch durch die Emigration von Schüler_innen und Lehrkräften.

 

 

DER PLAN ZUR EVAKUIERUNG DER GANZEN SCHULE
Seit 1929 war der aus Frankfurt am Main stammende Dr. Erich Klibansky Direktor der Jawne. Nach dem Regierungsantritt der Nationalsozialisten suchte er nach Wegen, seine Schüler und Schülerinnen zu schützen und ihnen neue Perspektiven zu eröffnen. Durch intensive Sprachkurse, vor allem in Neuhebräisch und in Englisch, wurden sie auf die Auswanderung vorbereitet. Nach dem Novemberpogrom 1938 verfolgte Erich Klibansky mit großer Entschiedenheit den Plan, seine gesamte Schule nach England zu
evakuieren. Auch wenn dieses Vorhaben scheiterte, so gelang es dem Direktor doch, Jungen und Mädchen in mehreren Klassenverbänden nach England zu bringen, wo sie in vorbereiteten Jawne-Hostels unterkamen.

 

VIER JAWNE-TRANSPORTE
Erich Klibansky bereitete diese Kindertransporte persönlich vor. Er fand in London, Manchester und Liverpool Garantiegeber und Unterkünfte, organisierte die religiöse Betreuung der Kinder durch den Anschluss an eine örtliche jüdische Gemeinde und kämpfte mit den Behörden darum, seine Lehrkräfte als Leiter der Jawne-Hostels ebenfalls nach England zu retten. Mindestens 130 Kinder wurden in insgesamt vier Jawne-Transporten nach England gebracht, bevor Deutschland den Krieg begann. Erich Klibansky setzte sich bis zuletzt für seine in Köln verbliebenen Schülerinnen und Schüler ein. Er selbst und seine Familie wurden im Juli 1942 – kurz nach der erzwungenen endgültigen Schließung aller jüdischen Schulen im Reich – deportiert und in der Nähe von Minsk ermordet.
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Bildnachweis Obere Bildleiste: Schulschluss in der Jawne, 1920er Jahre. NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, Sammlung Corbach

Dr. Erich Klibansky verabschiedet eine Gruppe von Jawne-Schülerinnen am Kölner Hauptbahnhof, Juli 1939. Foto: Privatbesitz Familie Zickel.