Die Abschiebung polnischer Juden im Oktober 1938

 

Am 28. und 29. Oktober 1938 wurden im nationalsozialistischen Deutschland etwa 17.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder mit polnischen Pässen verhaftet und in Sammeltransporten nach Polen abgeschoben. Mit der später so genannten ‚Polenaktion‘ und den Novemberpogromen knapp zwei Wochen später begann eine neue Phase der nationalsozialistischen Judenverfolgung.

 

DER AUSWEISUNGSBEFEHL
Nach der Verschärfung der nationalsozialistischen ‚Judenpolitik‘ im Laufe des Jahres 1938 befürchtete die polnische Regierung massenhafte Abschiebungen von in Deutschland lebenden Juden polnischer Staatsangehörigkeit. Um dies zu verhindern, forderte sie mit Erlass vom 15. Oktober von ihren Staatsbürgern, die länger als fünf Jahre im Ausland gelebt hatten, einen aktuellen Kontrollvermerk im Pass. Anderenfalls sollten die Pässe Ende Oktober ungültig werden. Die damit Staatenlosen hätten nach internationalem Recht nicht mehr abgeschoben werden dürfen. Die deutsche Regierung handelte rasch und mit großer Brutalität. Am 27. Oktober 1938 ordnete der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei die Abschiebung von Juden mit polnischen Pässen aus dem Deutschen Reich an. Vor allem erwachsene Männer sollten ergriffen werden, da sich die NS-Behörden sicher waren, dass Frauen und Kinder folgen würden. Der von Werner Best im Reichssicherheitshauptamt unterzeichnete Schnellbrief befahl:

 

» … unter Einsatz aller Kräfte der Sicherheits- und Ordnungspolizei … alle polnischen Juden, die im Besitz gültiger Pässe sind, sofort … in Abschiebungshaft zu nehmen und unverzüglich nach der polnischen Grenze im Sammeltransport abzuschieben. Die Sammeltransporte sind so durchzuführen, dass die Überstellung über die polnische Grenze noch vor Ablauf des 29. Oktober 1938 erfolgen kann.« *

 

DIE ABSCHIEBUNG
In Ausführung des Befehls wurden etwa 17.000 aus Polen stammende Juden und Jüdinnen verhaftet. Zunächst in Polizeigefängnissen oder an Sammelplätzen zusammengepfercht, wurden sie anschließend mit Sonderzügen der Deutschen Reichsbahn zur polnischen Grenze gefahren. Die meisten Züge, so auch aus dem Rheinland und Westfalen, fuhren in Richtung der Grenzstadt Neu-Bentschen, dem das polnische Zbąszyń (Bentschen) gegenüberlag.

 

Die Erwachsenen in den Deportationszügen ahnten, wie endgültig diese Abschiebung sein würde. Manche von ihnen sprachen, wie die allermeisten der Kinder und Jugendlichen, überhaupt kein Polnisch und waren, in Deutschland geboren, noch nie oder nur zu Besuchen in Polen gewesen.
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* RdSchr. d. CdS (Chef der Sicherheitspolizei und des SD) an Stapo-Stellen v. 27.10.1938, zit. nach Ulrich Herbert, Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft 1903-1989, Bonn 1996, S. 216.

Ankunft in Zbąszyń, Foto: Yad Vashem digital collection 2656/18

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