Briefe aus Polen
Die Geschwister Greta, geb. 1922, und Salo (Salomon) Schiffmann, geb. 1924, wurden im Oktober 1938 mit den Eltern aus Dortmund nach Zbąszyń abgeschoben. Salo gelangte im März 1939 in ein zionistisches Jugendlager in Nowosiolki bei Bialystok. Von dort gelangte die Gruppe von etwa 30 Jugendlichen in einer gefährlichen Odyssee Ende 1940 über Kaunas, Moskau, Odessa und Istanbul nach Palästina.
Salo Schiffmann hat der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem 22 Briefe und Postkarten vermacht, die ihm seine Schwester Greta nach Nowosiolki schrieb. Greta beschreibt den Alltag im Flüchtlingslager, die Abreisen anderer Kinder und Jugendlicher, und den Versuch, unter schwierigsten Bedingungen doch Gemeinsamkeit und Zuversicht aufrecht zu erhalten. Im August 1939 berichtet sie von der bevorstehenden Auflösung des Lagers. Die Schiffmanns wissen aber nicht, wohin sie gehen sollten. Wir haben gesagt, wir haben in nirgends zu fahren*, schreibt Greta an ihren Bruder. Vermutlich sind Greta, Eva und Markus Schiffmann im Mai 1943 im Vernichtungslager Belzec ermordet worden.
Lieber Salo! Zbąszyń, d. 2.5.1939
Deine lb. Karte haben wir heute früh erhalten. Haben uns sehr drüber gefreut. Wir sind am Samstag abend noch an der Schranke gestanden bis der Zug weggefahren ist. Wir waren um zwölf Uhr zu Hause. Sonntag war es mir sehr langweilig ohne dich. **
Lieber Salo! Zbąszyń, d. 11.5.1939
Deinen lb. Brief haben wir heute morgen erhalten. Haben uns sehr drüber gefreut. … Bubi Mühlrad und Nette Stub sind gestern abend um 1/2 9 nach Schweden gefahren. Ich war mit am Bahnhof. Walter den Schaffeur kennst du doch sicher, der ist bis zum Schiff nach Gdinia mit ihnen gefahren. So fahren sie nun alle nach und nach weg. Gestern abend um 11:18 sind wieder viele nach Palästina gefahren. … Heute nachmittag ist ein Fußballspiel Mühle gegen Spital und Centrale. Ich gehe vielleicht hin. … Ich habe noch immer nicht das Permit bekommen. Diese Woche habe ich wieder eine Karte zum Komitee nach England geschrieben. ***
* Postkarte von Greta Schiffmann, 17.8.1939, in: Gertrud Pickhan, „Niemandsland“. Die Briefe der Greta Schiffmann und das Schicksal einer jüdischen Familie, ausgewiesen aus Dortmund im Oktober 1938, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark, Bd. 91, Essen 2000, S. 169-201, hier S. 196.
** Brief von Greta Schiffmann an ihren Bruder Salo in Nowosiolki, 2. Mai 1939, in: Pickhan, Niemandsland, S. 183.
*** Brief von Greta Schiffmann an ihren Bruder Salo, 11. Mai 1939, in: Pickhan, Niemandsland, S. 185.
Postkarte von Salo Schiffmann aus Litauen an Familienangehörige in Tel Aviv. Yad Vashem, Digital Collections, Sammlung Briefe und Postkarten 132-3539862; http://collections1.yadvashem.org/full_pdf_srika/3539862_03016576/0001.pdf [13.2.2017]
Postkarte von Markus Schiffmann aus Zbaszyn an den Sohn Salo. Yad Vashem, Digital Collections, Sammlung Briefe und Postkarten 132-3539862, http://collections1.yadvashem.org/full_pdf_srika/3539862_03016576/0001.pdf [13.2.2017]