Die Abschiebungen aus dem Rheinland

 

Auch im Rheinland und in Westfalen reagierten Polizei- und Sicherheitsbehörden umgehend auf den Schnellbrief aus dem Reichssicherheitshauptamt. In Düsseldorf drangen Polizeibeamte in der Nacht zum 28. Oktober in die Wohnungen polnischer Juden ein und verhafteten Männer, Frauen und Kinder. Ohne dass ihnen Zeit zum Packen gegeben wurde, brachte man sie ins nächste Polizeirevier und von dort zum Polizeipräsidium. Am folgenden Nachmittag wurden die Verhafteten in Bussen zum Deportationszug gefahren. Das polnische Konsulat in Düsseldorf half zumindest noch etwa 100 Menschen mit dem geforderten Passkontrollvermerk. Auch in Essen wurden ganze Familien in den frühen Morgenstunden des 28. Oktober aus ihren Wohnungen geholt. In Köln koordinierte die Gestapo die Verhaftungen für die umliegende Region.

 

ERMESSENSSPIELRÄUME
Augenzeugenberichte lassen den Ermessensspielraum der beteiligten Polizei-Einheiten erkennen. So konnten Jugendliche und Betreuer im jüdischen Waisenhaus Abraham Frank-Haus am 28. Oktober zumindest noch einen Koffer packen und mit der Straßenbahn zum Bahnhof Köln-Deutz fahren. Frauen mit Kindern sollten aus Köln nur abgeschoben werden, wenn sie verwitwet oder geschieden waren.

 

Für viele Städte liegen Zahlen zu den Abschiebungen vor. So wurden aus Dortmund und schätzungsweise auch aus Köln 600, aus Essen 420, aus Düsseldorf 361 und aus Gelsenkirchen 70 Personen nach Polen abgeschoben.

 

HELFENDE UND ZUSCHAUENDE
Mancherorts erfuhr die Jüdische Gemeinde rechtzeitig von den Verhaftungen. In Bochum stand Ottilie Schönewald, Vorsitzende des Jüdischen Frauenbundes, den Menschen auf dem Bahnhofsvorplatz bei. Sie erinnerte die Abschiebung später als eine „langausgedehnte, kalte, grausame Folter“. * Der Düsseldorfer Rabbiner Max Eschelbacher schrieb über den 28. Oktober 1938:

 

»In dem Polizeigefängnis, in das ich … dreizehn Tage nachher selbst eingeliefert wurde, herrschte kopflose, verzweifelte Verwirrung. … Wir konnten den Menschen nicht helfen, aber wir wollten bei ihnen sein. … Als im ersten Hof der erste Autobus vorfuhr, um sie zur Bahn zu bringen, wollten wir sie begleiten, aber der Posten ließ uns nicht durch.« **

 

Während es in manchen Briefen von Abgeschobenen heißt, man sei auf Nebenwegen zu einem Bahnhof gebracht worden, schildern andere das Spalier von gaffenden Bürgern und Bürgerinnen, durch das sie getrieben wurden.
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* Ottilie Schönewald, Aus der Arbeit des Jüdischen Frauenbundes in Bochum (1934/1938), Wiener Library, Testaments to the Holocaust. Eyewitness Accounts. Ref. PIIe No. 338.
* * Max Eschelbacher, Der achtundzwanzigste Oktober 1938, in: Bastian Fleermann/Angela Genger, Novemberpogrom 1938 in Düsseldorf, Essen 2008, S. 335-338, hier S. 337.

Bildnachweis Obere Bildleiste: Düsseldorfer Polizeipräsidium, Foto: Sabine Würich

Kölner Bürger in einer Scheune in Zbąszyń, November 1938. Foto: NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, Nachlass Corbach

Deportierte nach der Ankunft in Zbąszyń. Foto: NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, Nachlass Corbach

Stadtarchiv Bottrop, PO Nr. 4.